Einleitung:
Die Union inszeniert das KCanG als Sicherheitsrisiko mit drei Hauptrefrains: Jugendschutz, Bürokratie und internationale Verträge. Statt einer nüchternen Abwägung gibt es Pathos, Warnsignale und den immergleichen Gestus des Verbots. CDU und CSU präsentieren sich als letzte Dämme gegen die vermeintliche Flut liberaler Entgleisungen: Hier die bedrohte Jugend, dort eine Verwaltung am Limit und über allem die heiligen Tafeln internationaler Abkommen. Diese Dramaturgie wirkt weniger wie Analyse als wie Ritual: Man ruft die altbekannten Gespenster auf, um Bewegung zu verhindern. Wer legal regeln will, gilt als Leichtsinniger; wer verbietet, als verantwortungsvoll. So entsteht ein Diskurs, der weniger klärt als diszipliniert – ein politisches Theater, in dem die Pointe vorab feststeht: Verbote zuerst, Lösungen später.
Hauptteil:
Jugendschutz als Bannspruch
Jugendschutz wird zum Zauberwort, das jede Diskussion beendet. In der Erzählung der Union genügt das Etikett „Schutz der Jugend“, um kontrollierte Abgabe, Prävention und Sachlichkeit als vermeintlich verantwortungslos zu brandmarken. Der Effekt: Die Jugend fungiert als rhetorisches Schutzschild für die Aufrechterhaltung des Status quo. Statt über altersgerechte Aufklärung, klare Abgaberegeln und überprüfbare Standards zu sprechen, produziert man Alarm. Das Narrativ arbeitet mit Bildern der Verführung und des moralischen Absturzes, als sei Regulierung gleichbedeutend mit Freigabe ohne Grenzen. In dieser Logik geht es nicht um Versorgungssicherheit oder Qualitätskontrolle, sondern um das Erzeugen eines kategorischen Imperativs: Wenn es um Jugendliche geht, dürfen nur Verbote tugendhaft sein. Debatte erledigt, Problem verschoben.
Bürokratie als Schreckgespenst
Wenn Regulierung sichtbar wird, nennt die Union sie „Bürokratiemonster“. Ausgerechnet diejenigen, die Verwaltungsdichte traditionell bejahen, entdecken plötzlich die Liebe zur Entlastung. Die Kritik am KCanG stilisiert Formulare, Prüfprozesse und Zuständigkeiten zur unüberwindbaren Hürde. Dabei bedeutet Regulierung immer: Regeln definieren, zuständig machen, überprüfen. Das ist kein Selbstzweck, sondern der Preis für Kontrolle statt Wildwuchs. Bürokratie wird hier nicht differenziert kritisiert, sondern als Generalverdacht gegen den gesamten Ansatz eingesetzt. Die Botschaft lautet: Wenn es Aufwand bedeutet, darf es nicht passieren. Das ist bequem, aber unergiebig – und blendet aus, dass Unreguliertes den Aufwand nur verlagert: in Polizei, Justiz und medizinische Folgekosten. Verwaltung ist kein Gegner, sondern Werkzeug.
Internationale Verträge als Nebelwand
Die Union erhebt internationale Abkommen zum unantastbaren Dogma. Plötzlich werden jahrzehntealte Verträge als starre Endstation ins Feld geführt, als könne Politik sie nicht auslegen, anpassen oder fortentwickeln. Das klingt nach Rechtstreue, ist aber vor allem ein politisches Stopp-Schild. Verträge sind Rahmen, keine Fesseln – sie wurden in anderen Zeiten, mit anderen Problemstellungen formuliert. Wer sie zum sakralen Unveränderlichen erklärt, vertauscht Mittel und Zweck: Internationale Zusammenarbeit soll sinnvolle Regulierung ermöglichen, nicht sie verhindern. Die Pose der gebundenen Hände ersetzt so den Willen zur Gestaltung. Ergebnis: Stillstand mit Verweis. Das wirkt verantwortungsvoll, macht aber nur die Nebelwand dichter, hinter der man jede inhaltliche Entscheidung vertagen kann.
Schwarzmarkt als Dauer-Ausrede
Der Schwarzmarkt dient als Allzweckargument gegen Legalisierung: Er werde nicht verschwinden, also sei Regulierung nutzlos. Diese Logik übersieht, dass „Null Schwarzmarkt“ nie die einzige Messlatte war. Es geht darum, illegalen Handel zu verdrängen, Qualität zu sichern und Konsum aus riskanten Strukturen herauszuführen. Wer das Phänomen als Begründung für Verbote nutzt, verteidigt indirekt genau jene Märkte, die man beklagt. Illegalität schafft Preismacht, Streckmittelrisiken und Zugangskanäle ohne Jugendschutz. Regulierung senkt diese Risiken, schafft Anreize für legale Pfade und macht Kontrollen erst sinnvoll. Der Schwarzmarkt ist kein Naturgesetz, sondern ein Produkt politischer Entscheidungen. Ihn als Dauer-Ausrede zu verwenden, ist bequemer als Verantwortung für bessere Regeln zu übernehmen.
Verkehrsangst und Arbeitsplatz-Panik
Ein weiterer Baustein des Verbotsrauschs: Bilder vom Dauer-Rausch am Steuer und von Betrieben, die den Überblick verlieren. Dabei handelt es sich um typische Schreckkulissen. Straßenverkehrssicherheit entsteht nicht durch Totalsperren, sondern durch klare Grenzwerte, Tests und Sanktionen bei Verstößen. Auch die Arbeitswelt kennt bereits Eignungs- und Sicherheitsstandards, die substanzunabhängig greifen: arbeitsfähig oder nicht – das ist der Prüfstein. Wer aus Einzelfällen Systemfragen macht, argumentiert mit maximaler Verallgemeinerung. Das Ergebnis ist keine bessere Sicherheit, sondern die Immunisierung gegen Lösungen: Weil Risiken existieren, darf es keine Regelung geben. Doch genau Regeln sind das Instrument, Risiken zu bändigen. Panik ersetzt keine Praxis.
Schluss:
Die Union präsentiert Verbote als Fürsorge, doch dahinter steckt die Angst vor Veränderung. Jugendschutz wird zum Bannspruch, Bürokratie zur Vogelscheuche, Verträge zur Ausrede, der Schwarzmarkt zur Dauer-Beschwörung, Verkehr und Arbeit zur Schreckkulisse. So entsteht ein politisches Tableau, auf dem Bewegung wie Gefahr erscheint und Stillstand wie Verantwortung. Wer erwachsen regulieren will, braucht Mut zur klaren Regel statt Mut zur großen Geste. Das KCanG ist kein Heiligtum, aber eine Gelegenheit, Risiken in Regeln zu übersetzen. Wer diese Gelegenheit reflexhaft verweigert, verteidigt nicht Schutz – er verteidigt Starre. Zukunft entsteht nicht aus Verbotstrunkenheit, sondern aus handwerklicher Klarheit. Die Wahl liegt offen auf dem Tisch.
Rechtlicher Hinweis:
Hinweis: Dieser Beitrag enthält persönliche Meinungen, Wertungen und satirische Überhöhungen. Er stellt keine Tatsachenbehauptungen dar, sondern ist eine subjektive Analyse gesellschaftlicher Entwicklungen.