AfD Wahlprogramm – Wenn Volksnähe nur ein Werbeslogan ist

Einleitung:

Die AfD gibt sich gern als Stimme der „ganz normalen Leute“, als Kummerkasten für Abstiegsangst, Wut und Frust. Im Bundestagswahlprogramm 2025 mit dem Titel „Zeit für Deutschland“ inszeniert sie sich als Anwältin der kleinen Einkommen, der Familien, des „Fleißigen“ gegen eine angeblich abgehobene Elite. Primärquelle dieser Betrachtung ist das offizielle AfD-Bundestagswahlprogramm 2025, ergänzt um ökonomische und sozialwissenschaftliche Auswertungen. Aus linker, sozialkritischer Perspektive stellt sich die Frage: Ist diese Volksnähe mehr als ein sorgfältig choreografiertes Image? Wer genau gewinnt, wer verliert, wenn diese Programmatik Wirklichkeit würde? Dieser Beitrag ordnet zentrale Programmpunkte ein – bei Steuern, Sozialstaat, Migration, Klima und Demokratie – und bewertet, wie nah die AfD tatsächlich an den Lebensrealitäten derjenigen ist, auf deren Stimmen sie sich beruft.

Hauptteil:

Steuergeschenke für oben, Verzicht für unten

Im Zentrum der AfD steht der Umbau des Steuersystems hin zu einfacheren, niedrigeren Tarifen und einer starken Entlastung hoher Einkommen und großer Vermögen. Das Programm arbeitet mit der Erzählung, alle würden profitieren, weil der Staat „schlanker“ werde und Leistung sich mehr lohne. Studien zu AfD-Steuerkonzepten und Flat-Tax-Modellen zeigen jedoch, dass insbesondere Spitzenverdienende und sehr hohe Erbschaften profitieren würden, während Normal- und Geringverdienende im Verhältnis weniger oder gar nicht gewinnen, teilweise sogar Nachteile tragen müssten. Gleichzeitig drohen Haushaltslöcher im zweistelligen Milliardenbereich, die am Ende fast zwangsläufig über Kürzungen bei sozialer Infrastruktur, kommunalen Leistungen und Transferleistungen gestopft würden. Aus linker Sicht wirkt das wie eine Umverteilung von unten nach oben, verpackt in eingängige Schlagworte. Die behauptete Volksnähe zerfällt, sobald man fragt, wer die Rechnung für diese Steuersenkungen tatsächlich bezahlen würde.

Sozialstaat als Kulisse, nicht als Schutzraum

Das Wahlprogramm arbeitet mit scharfer Kritik an „Sozialmissbrauch“ und „Leistungslosigkeit“ und verspricht, die „wirklich Bedürftigen“ zu schützen. In der konkreten Ausgestaltung überwiegen jedoch Restriktionen, Misstrauen und der Abbau von Ansprüchen, insbesondere für Arbeitslose, Migrantinnen und Migranten sowie Menschen in prekären Lebenslagen. Reale Probleme wie steigende Mieten, Energiepreise und prekäre Beschäftigung werden zwar rhetorisch benannt, aber kaum mit substanziellen Maßnahmen adressiert: Eine Stärkung von Tarifbindung, armutsfesten Regelsätzen, Investitionen in sozialen Wohnungsbau oder eine offensive Armutsbekämpfung sucht man vergeblich. Gleichzeitig lehnt die AfD viele Instrumente ab, mit denen andere Akteure soziale Sicherheit ausbauen wollen. Aus linker Perspektive wirkt dieser Sozialstaat eher wie eine Kulisse: Er wird zur Legitimation nach unten benutzt, während seine tatsächlichen Schutzfunktionen systematisch geschwächt werden.

„Volk“ exklusiv: wem Zugehörigkeit zugestanden wird

Ein Kernmotiv des Programms ist die Vorstellung eines homogenen „deutschen Volkes“, dessen Identität durch Migration, Vielfalt und Internationalität angeblich bedroht werde. Entsprechend fordert die AfD eine drastische Verschärfung von Asyl- und Migrationspolitik, inklusive systematischer Rückführungen und der politischen Leitvokabel „Remigration“. Volksnähe bedeutet hier nicht Anerkennung verschiedener Lebensrealitäten, sondern die Ausgrenzung aller, die nicht in ein ethnisch-kulturell eng gefasstes Bild passen. Für Beschäftigte mit Migrationsgeschichte, Geflüchtete, Eingebürgerte oder Kinder in gemischten Familien ist diese Programmatik keine Einladung, sondern eine offene Ansage: Ihr gehört nur bedingt dazu. Aus linker Perspektive ist das eine Politik der Spaltung, die soziale Konflikte ethnisiert und damit reale Verteilungskonflikte überdeckt. Die „Nähe zum Volk“ gilt nur für den Teil der Bevölkerung, der in dieses Ausschlussraster passt.

Klima, Arbeit, Zukunft: gestern als Leitbild

Bei Klima-, Energie- und Industriepolitik setzt die AfD primär auf die Rückkehr zu fossilen Energieträgern, die Ablehnung von CO₂-Bepreisung und den Abbau von Klimaschutzauflagen. Das wird als Entlastung für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen verkauft. Kurzfristig können niedrigere Energiepreise für einige tatsächlich spürbar sein, langfristig jedoch verschärft diese Linie die Abhängigkeit von instabilen Weltmärkten und veralteten Industrien. Die internationale Konkurrenz investiert in Dekarbonisierung, grüne Technologien und neue Wertschöpfungsketten – die AfD will diesen Wandel bremsen oder zurückdrehen. Für Beschäftigte in Industrie und Handwerk bedeutet das ein erhöhtes Risiko, in einigen Jahren ohne wettbewerbsfähige Jobs dazustehen. Aus linker Sicht ist das keine soziale Schutzpolitik, sondern ein gefährliches Festhalten am Gestern, das die Zukunftsfähigkeit der Arbeitsplätze gerade jener untergräbt, deren Sorgen die AfD rhetorisch aufgreift.

Demokratie als Bühne für permanenten Ausnahmezustand

Das AfD-Programm enthält zahlreiche Forderungen, die demokratische Institutionen und rechtsstaatliche Strukturen unter Druck setzen würden: Angriffe auf öffentlich-rechtliche Medien, Misstrauen gegenüber unabhängiger Justiz und Wissenschaft, Umbau staatlicher Institutionen entlang parteipolitischer Loyalität. All das wird als Wiederherstellung „volkssouveräner“ Politik verkauft, faktisch aber schwächt es jene Kontrollmechanismen, die Macht begrenzen und Missbrauch erschweren. Wer abhängig ist von guten Schulen, funktionierender Verwaltung, verlässlichen Sozialleistungen und transparenter Berichterstattung, ist auf stabile Institutionen angewiesen. Werden diese ausgehöhlt, trifft es nicht die finanzielle Elite, sondern vor allem Menschen ohne große Rücklagen und Einflusskanäle. Aus linker Perspektive ist diese Form der „Volksdemokratie“ letztlich eine Kulisse für Machtkonzentration. Volksnähe wird behauptet, während gleichzeitig die Möglichkeiten der Bevölkerung, Macht zu kontrollieren, eingeschränkt würden.

Verbesserungsvorschlag:

Wenn es tatsächlich um Volksnähe ginge, müsste ein Wahlprogramm die Lebensrealität der Mehrheit ins Zentrum stellen: Löhne, Mieten, Energiepreise, Gesundheitsversorgung, Bildungswege, Zeitdruck, Pflege von Angehörigen. Eine sozial gerechte Alternative zum AfD-Ansatz würde auf mehreren Ebenen ansetzen. Erstens: Eine progressive Steuerpolitik, die kleine und mittlere Einkommen entlastet und hohe Vermögen sowie große Erbschaften stärker heranzieht – mit klarer Gegenfinanzierung für Investitionen in Infrastruktur, Wohnen, Bildung und Gesundheit. Zweitens: Stärkung von Tarifbindung, Mitbestimmung und sozialer Sicherungssysteme, statt Deregulierung und Misstrauen gegenüber Erwerbslosen. Drittens: Eine konsequente Klimapolitik, die ökologische Modernisierung mit Arbeitsplatzsicherung verbindet – etwa durch Qualifizierungsprogramme, Investitionen in öffentliche Verkehrssysteme und Unterstützung für energiearme Haushalte. Viertens: Eine Migrationspolitik, die Integration als Chance begreift, aber auf Rechtsstaatlichkeit basiert, statt auf kollektiver Abstrafung. Fünftens: Demokratische Institutionen müssten ausgebaut werden – mehr Transparenz, mehr direkte Beteiligung, bessere Absicherung kritischer Medien –, anstatt sie zu schwächen. Volksnähe wäre dann kein Werbeslogan, sondern die materielle Erfahrung, dass Politik mehr Sicherheit, Mitsprache und Zukunft eröffnet.

Schluss:

Das AfD-Wahlprogramm 2025 inszeniert Volksnähe, während es strukturell vor allem jene stärkt, die ohnehin über Ressourcen, Eigentum und Einfluss verfügen. Die sozialen Versprechen wirken wie ein Werbetext, der sich erst gut anhört, dann aber im Kleingedruckten die Rechnung präsentiert – und zwar vor allem den unteren und mittleren Einkommensgruppen. Aus linker Perspektive zeigt sich ein klares Muster: kulturelle Zuspitzung nach unten, ökonomische Entlastung nach oben, politisch flankiert von Angriffen auf Institutionen, die gesellschaftliche Gegenmacht organisieren könnten. Wer das als Schutzschild gegen Krise, Abstiegsangst und Ohnmacht wählt, riskiert, am Ende mit weniger Rechten, weniger Absicherung und weniger Gestaltungsmöglichkeiten dazustehen. Volksnähe, die Spaltung betreibt und soziale Sicherheit aushöhlt, bleibt eine leere Hülle – und genau daran wird sich dieses Programm messen lassen müssen.

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